RAD-Landdienstlager in Wissingen bei Osnabrück. Hinten in der Mitte Artur Plaisier. Aufnahme 1943.
Artur Plaisier in der Grundschule. Aufnahme Ende der 1930er Jahre.
Johann Plaisier auf Gut Westfalenhof Varrelbusch. Aufnahme 1922.
Heirat von Johann Plaisier und Noentjeanna, geb. Harms, am 11.4.1912

"Bubis Kinnertied": die ehrliche Biografie meines Vaters

Als mein Vater 2006 starb, hinterliess er mir in seinem Nachlass eine Biografie. Ich hatte nichts davon gewusst - und ich hatte Bedenken, dass seine Aufzeichnungen etwas bisher Ungesagtes aus der Familiengeschichte aufdeckten. Ich ließ die Biografie viele Jahre liegen. Als ich den Mut fand, sie zu lesen, sollte ich Recht behalten: Ich musste unter anderem erfahren, dass mein Großvater während des Dritten Reiches Aufseher in einem der Emslandlager gewesen war.

Ich erfuhr zum ersten Mal von der Problematik der Kriegsenkel und der transgenerationalen Vererbung von Traumata. Ich zog in langen Gesprächen einen Psychotherapeuten hinzu. Und ich recherchierte die Kindheit und Jugend meines Vaters vor Ort in Ostfriesland und dem Emsland. So entstand ein Alltagsbild der 1930er und 1940er Jahre, ein Einblick in die Heimatgeschichte, aber auch in den persönlichen Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus in meiner Familie. So ganz nebenbei lernte ich noch neue Familienmitglieder kennen...

Auf das Deckblatt seiner Aufzeichnungen hatte mein Vater geschrieben "Liebe Leser". Ich empfand das als Ermutigung: In dem großartigen Team des Acabus Verlages in Hamburg um Verleger Björn Bedey fand ich einen Partner zur Veröffentlichung.

Die Premierenlesung fand am 11. Todestag meines Vaters in seinem Heimatort statt. In das Fehn- und Schiffahrtsmuseum Westrhauderfehn kamen 100 Zuhörer.

Bubis Kinnertied. Tüsken Wieken un Wullgras. Eine Kindheit in Ostfriesland und im Emsland in den 1930er und 1940er Jahren.

Acabus Verlag, 4. Auflage 2019. 342 Seiten mit 40 Abbildungen. ISBN 978-3-86282-470-0. Verkaufspreis 15,00 Euro.

Die 4. Auflage ist komplett vergriffen. Eine Neuauflage in der edition Kronzeugen wird vorbereitet.

Einige Leserstimmen zu "Bubis Kinnertied"

"Gut, dass man solche Biografien noch lesen kann."

"Ein interessanter und lesenswerter Zeitzeugenbericht auch für Nicht-Ostfriesen und Nicht-Emsländer.“

"Vergessen. Die große Gefahr im modernen Deutschland. Vergessen, welch finstere Zeit in unserem Lande in den 30er und 40er Jahren herrschte. Wie wenig ein Menschenleben damals wert war, abhängig von Herkunft und Gesinnung... Im vorliegendem Werk steckt außergewöhnlich umfangreiche Recherchearbeit. Wo möglich, werden Quellen genannt, Fotos gezeigt und Fakten ehrlich formuliert. So zeichnet Plaisier ein Bild einer Zeit, die wir so anders als die gegenwärtige vermuten, deren Ereignishorizonte aber heute wieder um die Ecke schielen und uns teils Wehmut und teils Grauen empfinden lassen."

"Der plattdeutsche Titel deutet schon an, dass man hier auch sehr stark mit den lokalen Bräuchen der Ostfriesen und Emsländer konfrontiert wird - jedoch sei Entwarnung gegeben: Die Geschichten im ersten Teil sind allesamt amüsant und interessant erzählt..."

"Den Aufzeichnungen Arturs folgt das Kriegstagebuch seines älteren Bruders, ein Dokument, welches das Buch im Hinblick auf das Schicksal der Soldaten an der Front und in der Kriegsgefangenschaft abrundet. Es lässt den Leser nachdenklich zurück - ebenso wie der kurze Epilog, den ein Psychologe zum Thema Kriegsenkel verfasst hat. Ich hoffe, es regt noch mehr Kriegskinder und -enkel an, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen!"

"Extrem genau beobachtet und recherchiert."

Quelle: Deutschlandradio / Carolin Pirich

Quelle: Deutschlandradio / Carolin Pirich

Die rote Kiste meines Opas: Feature auf Deutschlandradio Kultur zu Kriegsenkel und NS-Vergangenheit

Inzwischen gibt es viele Veranstaltungen und Gruppen, auch in den sozialen Netzwerken, die sich mit der Problematik der Kriegsenkel beschäftigen. Und es gibt Menschen, die Ähnliches erleben wie ich:

Carolin Pirich, Journalistin bei Deutschlandradio Kultur, öffnet den Nachlass ihres Großvaters Hermann Pirich in einer roten Kiste. Stattliches Gewicht: 40 kg. Auch Hermann Pirich war Journalist, Hitler-Gegner und doch Mitglied der Waffen-SS. Carolin Pirich beschreibt genau das Gefühl, das ich beim Öffnen der Biografie meines Vaters hatte:

Die rote Kiste setzt bei Carolin Pirich eine Auseinandersetzung in Gang mit der Rolle ihres Großvaters im Zweiten Weltkrieg und der Belastung der Kriegsenkel, mehr als 70 Jahre später.

Leider ist der Podcast auf Deutschlandradio Kultur nicht mehr verfügbar, aber das Manuskript: https://bit.ly/3dvRjt5